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Wer kann in Italien Rassehunde züchten?


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Wer kann in Italien Rassehunde züchten?
Interview von
Sabine Middelhaufe mit Lucio Marzano

Hundefans anderer Nationalitäten, die in Italien einen Vierbeiner kaufen möchten, sind oft über das, im Vergleich zu ihrem Heimatland, ganz andere züchterische und administrative System erstaunt. Schauen wir also mal, wer in Italien wie Rassehunde züchten kann, die einen von der ENCI (Nationaler Verband für das Italienische Hundewesen) ausgestellten Pedigree erhalten.
Der grösste Unterschied zwischen Italien und beispielsweise Deutschland liegt vielleicht darin, dass man weder Mitglied eines anerkannten Rassezuchtklubs sein, noch einen eingetragenen Zwinger haben muss, um für einen Wurf Ahnentafeln beantragen zu können. Der Besitzer der Mutterhündin braucht nur Kopien der Pedigrees beider Elterntiere an die ENCI zu schicken und erhält gültige Abstammungsnachweise für die Welpen.

Ist es wirklich so simpel? Lucio, kannst du die Vorgehensweise genauer erklären?

L.M.: Tatsächlich ist es in Italien nicht erforderlich, Mitglied eines speziellen Rassevereins oder einer kynologischen Gruppe zu sein, um Pedigrees für einen Rassehundewurf zu bekommen, aber da die Verwaltungskosten für Nichtmitglieder deutlich höher liegen, lohnt es, sich auch für nur einen einzigen Wurf einer Gruppe anzuschliessen. Solche kynologischen Gruppen sind gemeinnützige Vereinigungen, in denen sich Hundebesitzer mit dem erklärten Ziel zusammenschliessen, Leistungsprüfungen und Seminare zu veranstalten, ganz allgemein den Kontakt zwischen Hundeliebhabern zu begünstigen, all die administrativen Aufgaben zu erledigen, die sich im Zusammenhang mit Deckakten, Registrierung von Welpen bei der ENCI usw. ergeben. Normalerweise gibt es in jeder italienischen Provinz so eine Gruppe; eine der Ausnahmen stellt die Provinz Pavia dar, die zwei Gruppen unterhält.

Vorbildliche Zwingeranlage eines Segugio Italiano Züchters. Foto: Sabine Middelhaufe
Startfoto: Bracco Italiano Welpen.
Foto: Giorgio Mele

Eine andere Besonderheit des italienischen Systems ist es, dass die ENCI von jedem, der einmal Züchter mit eingetragenem Zwingernamen werden möchte, verlangt, dass er zunächst zwei Würfe als "Privatperson" macht. Welcher Grund steht hinter dieser Forderung? Warum ausgerechnet zwei Würfe, nicht einer oder vier?

L.M.: Ich nehme an, die Person soll damit beweisen, bereits Zuchterfahrungen zu haben, ehe sie einen Zwingernamen beantragen kann. Ansonsten ist der Sinn der Sache auch mir nicht wirklich klar...

Angenommen, unser hypothetischer Züchter hat seine zwei Pflichtwürfe gemacht. Was muss er als nächstes tun? Muss er jetzt einem Rasseklub beitreten? Gibt es seitens der ENCI bindende Regeln über die Mindest- und Höchstzahl von Zuchthunden die er halten muss, die Anzahl von Würfen die er jährlich haben darf oder muss, die Art und Grösse der Zwingeranlage? Kann er den Zwingernamen selbst wählen? Und wie sieht es mit den Kosten für die Registrierung des Zwingernamens aus?

L.M.: Der Züchter muss nichts weiter tun, als bei der ENCI einen entsprechenden Antrag zu stellen. Für den Zwinger schlägt er drei verschiedene Namen vor, von denen dann einer durch die FCI, die eine Liste aller Zwingernamen führt, um identische Bezeichnungen und somit Missverständnisse zu vermeiden, akzeptiert wird. Um den einmal registrierten Zwingernamen dann auch in Zukunft behalten zu können, muss der Züchter jährlich mindestens zwei Würfe machen und eine Gebühr von etwa 500 Euro pro Jahr bezahlen.

Eingedenk dessen, dass der eingetragene Zwinger in Italien keine zwingende Notwendigkeit ist, so dass mancher Züchter sich gar nicht die Mühe macht, einen zu beantragen, stellt sich die Frage nach dem Sinn - vom offensichtlichen einmal abgesehen, nämlich "sich einen Namen zu machen".

L.M.: Genau das ist der einzige Sinn - sich einen Namen zu machen und die eigenen Hunde dadurch später genau identifizieren zu können.

Der Zwingername ist auch Werbeträger für den erfolgreichen Züchter. Foto: Sabine Middelhaufe

Was vielen ausländischen Welpenkäufern Verdruss bereitet, ist die Geschichte mit der Zusendung des Pedigrees. Wie gesagt ist es in Italien nicht der Rassezuchtverein, der die Ahnentafeln ausstellen darf, sondern die ENCI. Wenn du auch gewiss kein Sprachrohr der ENCI bist, kannst du erklären, wieso dieses Monopol besteht, wieso diese langen, fast einjährigen Wartezeiten und häufigen Unterbrechungen bei der Bearbeitung von Pedigree Anträgen zustande kommen? Zumindest mit ausländischen Augen betrachtet, scheint es sich hier um einen übertrieben langen, komplizierten und zu Fehlern neigenden bürokratischen Weg zu handeln...

L.M.: Wir alle fragen uns das: wie kann man im Computerzeitalter noch so lange auf einen Abstammungsnachweis warten müssen? Aber es wird so bleiben, bis die ENCI die offiziell versprochene "Normalisierung" der Bearbeitungsvorgänge auch umsetzt. Sagen muss man allerdings auch, dass die kynologischen Gruppen, die für den Züchter die Eintragung eines Wurfes erledigen, sich oft mit dem Einsenden der Dokumente verspäten; die Schuld liegt also zumindest nicht immer bei der ENCI.

Ganz allgemein: was ist die ENCI eigentlich, wer bestimmt ihren Vorstand und wen repräsentiert der wiederum? Haben die relativ begrenzten Rechte der Rassezuchtklubs gegenüber der ENCI ihre Wurzeln in der Entwicklung des italienischen Hundewesens, oder ist das eine politische Frage oder gar fehlendes Interesse seitens der Vereine?

L.M.: Die ENCI, Ente Nazionale per la Cinofilia Italiana, ist eine privatrechtliche, von der FCI anerkannte und mit ihr kooperierende Vereinigung, der der italienische Staat die Führung der Stammbücher übertragen hat. Der ENCI Vorstand wird von individuellen Mitgliedern, in der Regel sind das Züchter, und kollektiven Mitgliedern, also kynologischen Gruppen und anerkannten Rassevereinen gewählt. Die Erstgenannten haben eine Stimme, die Zweiten, je nach Zahl der eigenen Mitglieder die sie vertreten, bis zu 50 Stimmen, aber in Wahrheit werden die Wahlen ganz stark vom "Delegiertenspiel" bestimmt. Die Rassezuchtklubs haben vor allem wegen fehlender finanzieller Mittel ihre Grenzen; die ENCI hingegen lebt von den Einnahmen, die sich aus der Führung des Stammbuchs ergeben und will diese Aufgabe natürlich nicht abtreten. Es ist ganz klar so, dass das Geld hier alles bestimmt; die ENCI bezahlt Gehälter, nominiert Richter, organisiert einige der wichtigsten Prüfungen, kurz und gut, sie macht Politik. In der ENCI gibt es, allgemein gesprochen, zwei Strömungen, die der Jäger mit den Jagdhunden und die aller anderen vertretenen Hunde und häufig stimmen die beiden Gruppen nicht überein, bestes Beispiel ist die Polemik zum Thema Rutenkupieren. Ich glaube allerdings nicht, dass die Rassevereine besser für uns wären als die ENCI, ganz im Gegenteil sieht man in vielen Fällen, dass sie noch viel schlimmer sind, weil es bei der geringeren Mitgliederzahl einfacher ist, an die Macht zu kommen, immer mit Hilfe des Spiels der Stimmenübertragung an Delegierte.

Bracco Italiano Junghunde beim Züchter. Foto: Sabine Middelhaufe

Bleiben wir noch einen Moment bei den "Rechten und Pflichten". Da die ENCI das Monopol für die Ausstellung der Pedigrees hat, sie mit anderen Worten das Organ ist, dass einen Hund als reinrassig erklärt, müsste sie konsequenterweise auch dafür verantwortlich sein, die Reinrassigkeit eines Wurfes zu kontrollieren, den Zustand der Mutterhündin, den Zustand des Zwingers usw. Wie steht es damit in der Praxis?

L.M.: Die ENCI stellt ein Zertifikat aus das besagt, dass ein bestimmter Hund Nachkomme dieser Hündin und jenes Rüden ist, sie lässt ihren örtlichen Delegierten einen Besuch im Zuchtzwinger abstatten, aber ausschliesslich, um Mutter und Welpen zu kontrollieren, denn alles andere, der Zustand des Zwingers etc. liegt schon im Kompetenzbereich der örtlichen Gesundheitsbehörde.

Was kann ein Klub tun, um die Qualität der Rasse, die er betreut, zu kontrollieren und zu verbessern? Angenommen, ein Verein wollte festlegen, dass ausser den schon geltenden Regeln künftig auch bindend wäre, nur noch HD-freie Hunde zur Zucht zu verwenden. Kann ein Verein solche Zuchtordnungen aufstellen oder würde er in jedem Falle den Segen der ENCI benötigen?

L.M.: Ein Klub hat durchaus die Möglichkeit, derartige Regeln aufzustellen, aber im Vorstand jedes Rassevereins sitzt ja in jedem Falle ein von der ENCI nominierter Berater, dessen Funktion es ist, über Entscheidungen beider Seiten zu informieren und diese zu koordinieren. In Italien müssen alle Beschlüsse die Zustimmung der ENCI haben. Vereine können ohne weiteres Prüfungen organisieren (mit Richtern der ENCI), aber die Prüfungsreglements sind die der ENCI und entsprechen wiederum denen der FCI. Natürlich kann die ENCI für das nationale Territorium auch bestimmte Regeln festlegen, die selbstverständlich nicht im Widerspruch zu FCI Regeln stehen dürfen, zum Beispiel die der "zertifizierten Zuchthunde", die ein von Rasse zu Rasse unterschiedliches Maß an Qualifikationen von Leistungsprüfungen und Ausstellungen vorweisen sowie HD und ED frei sein müssen (oder nur die leichteste Form haben dürfen), und ebenso kann ein Rasseklub seinen Mitgliedern gewisse Kontrollen auferlegen. Der VDH etwa bejaht bestimmte Praktiken wie das Ausstellen der Pedigrees durch den betreuenden Rasseklub; in Frankreich hingegen muss der erwachsene Hund einer Untersuchung zur Bestätigung seiner Rassezugehörigkeit unterzogen werden und erst wenn er die erfolgreich hinter sich gebracht hat, hat er ein Anrecht auf den definitiven Pedigree. In Italien und anderen Ländern existieren diese Praktiken wiederum nicht.

Danke für diese Informationen Lucio.


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